Eigene Erfahrung verringert Skepsis vor neuer Technik

Umfragen zur Akzeptanz autonomen Fahrens

Eigene Erfahrung verringert Skepsis vor neuer Technik
Autonom unterwegs in einem Volvo © Volvo

Autonomes Fahren stößt bei vielen Autofahrern auf Wohlwollen – besonders auf langen Strecken. Allerdings wäre der Zuspruch deutlich höher, wenn zwei Komponenten eindeutig geklärt wären.

Von Thomas Flehmer

Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Umfrage-Ergebnisse können häufig mehrere Interpretationen zulassen. Laut einer aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsportals Toluna im Auftrag des IT-Dienstleisters Computer Sciences Corporation (CSC) fehle 69 Prozent der Befragten das Vertrauen zum autonomen Fahren. In der gleichen Umfrage können sich aber 60 Prozent autonomes Fahren auf langen Strecken sehr wohl vorstellen. Unterstützt wird das letzte Umfrageergebnis auch durch die "Continental Mobilitätsstudie 2013", bei der sich 76 Prozent für autonome Systeme auf langen Fahrten und 70 Prozent für den Einsatz bei Staus auf der Autobahn aussprachen. Für die alltäglichen Fahrten im Stadtverkehr votierten indes deutlich weniger.

Zuerst autonom durch den Stau

Autonomes Fahren auf langen Strecken steht also auf dem Wunschzettel der Autofahrer. Sie wollen in dieser Fahrsituation vor allem stressfreier unterwegs sein. Teilweise ist dies bereits heute möglich. So bietet nicht nur die neue Mercedes S-Klasse einen Stauassistenten, auch zahlreiche Modelle in den unteren Segmenten haben einen Spurhalte-Assistenten an Bord, der auf der Autobahn das Auto am unbeabsichtigten Verlasen der Spur hindert und automatisch gegenlenkt. Bei dem Vorgang müssen rechtlich die Hände am Steuer sein, doch der Assistent funktioniert auch, wenn die Hände nicht das Lenkrad berühren.

"Die Bedürfnisse der Autofahrer in Deutschland passen bestens zu den Entwicklungsmöglichkeiten der kommenden Jahre. Denn teilautomatisierte Fahrzeuge werden im ersten Schritt Fahrten durch Baustellen und Staus auf der Autobahn bewältigen, gefolgt von der Möglichkeit, sein Fahrzeug in einem Parkhaus automatisiert einparken zu lassen", sagte der Continental-Vorstandsvorsitzende Elmar Degenhart.

Weniger Erfahrung mit Fahrassistenzsystemen

Der Haken an der an sich schönen Sache ist, dass derzeit noch nicht sehr viele Autofahrer in den Genuss dieser Sicherheitssysteme gekommen sind, entsprechend eine gewisse Skepsis vor der noch unbekannten Technik vorhanden ist. Doch diese Skepsis legt sich, wenn Autofahrer Fahrassistenzsysteme selbst erlebt haben und sehen, wie sehr sie die Sicherheit erhöhen. So ist es kein Wunder, dass die Conti-Studie zum Ergebnis kommt, je höher die Akzeptanz für Fahrerassistenzsysteme, desto höher auch die Akzeptanz für Automatisiertes Fahren.

"Erfahrungen mit Fahrerassistenzsystemen haben einen positiven Einfluss auf die Bewertung automatisierten Fahrens. Wer die Zuverlässigkeit eines Notbremsassistenten im eigenen Auto erfahren konnte, für den stellt sich nicht die grundsätzliche Frage, ob Automatisiertes Fahren funktioniert", sagt Christian Senger, Leiter der Vorentwicklung für Automobilelektronik bei Continental.

Für Volvo-Entwicklungschef Peter Mertens wird die Akzeptanz für das autonome Fahren maßgeblich auch von der Kommunikation zum Thema geprägt, "und da wecken Bilder mit einem auf der Rückbank sitzendem Fahrer die falschen Erwartungen. Das ist nicht der realistisch nächste Schritt". Ein Projekt wie Drive Me, bei dem der schwedische Autobauer ab Ende 2017 100 Fahrzeuge autonom in Göteborg fahren lässt, "wäre kaum vorstellbar gewesen, wenn wir der Regierung Bilder von Zeitung lesenden Autofahrern gezeigt hätten. Es war wichtig, dass wir das klare Ziel kommuniziert haben, den Verkehr sicherer zu machen", so Mertens.

Für Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber stellt niemand in Frage, "dass autonomes Fahren eine segensreiche Sache sein kann, die dem Kunden mehr Komfort und mehr Sicherheit verspricht. Und klar ist, wir bringen autonomes Fahren erst dann, wenn wir unseren Kunden garantieren können, dass es absolut sicher ist".

Feststellbarkeit der Schuldfrage bei Unfällen

Auf dem Weg zum autonom fahrenden Fahrzeug muss aber auch noch ein zweiter Knackpunkt geklärt werden: Die Feststellbarkeit der Schuld bei Unfällen mit autonom fahrenden Autos. Hier sind 72 Prozent skeptisch, wie die Schuld bei Verkehrsunfällen mit autonom fahrenden Fahrzeugen festgestellt wird. "Sind Sicherheitsfragen wie diese aus Kundensicht zufriedenstellend geklärt, dürfen die Autobauer mit breiter Zustimmung zum autonom fahrenden PKW rechnen", sagt Claus Schünemann, Vorsitzender der Geschäftsführung von CSC in Deutschland. Doch hier ist die Diskussion noch im vollen Gange. Vieles deutet derzeit darauf hin, dass hier ein Datenrekorder zum Einsatz kommen wird, um beispielsweise die letzten 30 Sekunden vor einem Unfall aufzuzeichnen, um dadurch die Schuldfrage klären zu können.

Und auch hier befindet sich die Industrie auf gutem Wege. Der so genannte Notbremsassistent, der vor Auffahrunfällen schützt und dabei selbstständige Bremsungen einleitet, ist schon fast für alle Fahrzeugklassen verfügbar. Einige Versicherer locken zudem mit Rabatten, sollte sich der elektronische Helfer an Bord befinden. Wenn diese Assistenten dann in der Realität erfahren werden, wandelt sich die Skepsis der Fahrer in Vertrauen zum autonomen oder teilautonomen Auto. Und die Umfrage-Ergebnisse werden dann auch weniger Interpretationen zulassen.

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